Rick Warren

Das neue Testament macht klar, dass Gott möchte, dass jeder Christ geistliche Reife erlangt. Er möchte, dass wir erwachsen werden. Paulus sagt: „Wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre …und in allem hin wachsen zu ihm, der das Haupt ist, Christus“ (Epheser 4, 14–15). Das Endziel geistlichen Wachstums ist, zu werden wie Jesus. Gottes Plan war von Anfang an, „dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Römer 8,29). Die Frage stellt sich jedoch: „Wie geschieht geistliche Reife überhaupt? Wie können wir reife Christen werden?“

MYTHOS ÜBER GEISTLICHE REIFE

Bevor ich über die Strategie spreche, die wir in unserer Saddleback Gemeinde zur Förderung geistlicher Reife anwenden, möchte ich einige gängige Missverständnisse über geistliches Wachstum und Reife aus dem Weg räumen. Jede wirksame Strategie muss auf korrekten Informationen beruhen.

REIFE–MYTHOS 1:

Geistliche Reife geschieht automatisch, wenn man von neuem geboren ist. Viele Gemeinden verfolgen keinen gezielten Plan, um neugeborene Christen zu geistlicher Reife zu führen. Sie überlassen alles dem Zufall und nehmen an, dass Christen automatisch geistliche Reife erlangen, wenn sie die Gottesdienste besuchen. Sie sehen ihre Aufgabe als erledigt an, wenn sie die Leute ermutigt haben, die Gottesdienste zu besuchen.

WAHRHEIT:

Geistliche Reife geschieht nicht einfach so. Gemeinden sind voll von Leuten, die zwar ihr ganzes Leben lang Gottesdienste besucht haben, aber trotzdem geistliche Babys geblieben sind. Ein angepasstes Mitglied ist nicht dasselbe wie ein reifes Mitglied. Geistliche Reife geschieht willentlich und erfordert Hingabe und Bestreben. Man muss wachsen wollen, sich für Wachstum entscheiden, und sich um Wachstum bemühen. Jüngerschaft beginnt mit einer Entscheidung. Es muss keine komplizierte Entscheidung sein, aber eine ehrliche. Gott tut Seinen Teil zu unserem Wachstum und wir müssen unseren ebenfalls tun (Philipper 2, 12+13). Ohne Verpflichtung, zu unserem eigenen Wachstum beizutragen, überlassen wir geistliches Wachstum dem Zufall. Dazu ist es zu wichtig (siehe Römer 6, 13).

REIFE-MYTHOS 2:

Geistliche Reife ist mystisch, und Reife ist nur einigen wenigen Auserlesenen möglich. Leider glauben viele Christen, dass geistliche Reife für sie in so weiter Ferne liegt, dass sie gar keine Anstrengung machen, sie zu erreichen. Sie haben eine mystische, idealisierte Vorstellung von reifem Christ-sein. Sie meinen, Reife sei nur etwas für Superchristen. Hierzu haben möglicherweise einige Biographien über Christen beigetragen, die deren Menschlichkeit übertüncht haben.

WAHRHEIT:

Geistliche Reife ist sehr praktisch. Jeder Christ kann geistliche Reife erlangen, wenn er oder sie gewillt ist, die nötige Disziplin für den geistlichen Reifeprozess zu entwickeln. Wir müssen geistliche Reife entmystifizieren, indem wir ihre Bestandteile in praktische, tägliche Gewohnheiten aufteilen.

REIFE-MYTHOS 3:

Geistliche Reife kann augenblicklich stattfinden, wenn man den richtigen Schlüssel findet. Viele ernsthafte Christen verbringen ihr Leben auf der Suche nach einer Erfahrung, einer Konferenz, einem Buch, einem Vortrag, oder einer bestimmten Wahrheit, die sie augenblicklich zu reifen Christen macht.

WAHRHEIT:

Geistliche Reife ist ein Prozess, der Zeit braucht. Es gibt keine Abkürzungen auf dem Weg zu geistlicher Reife (Epheser 4, 13). Geistliche Reife ist ein Ziel, das eine Reise erfordert, und geistliches Wachstum ist eine lebenslange Reise. Christen wachsen besser heran, wenn sie eine Leitplanke haben. Deshalb setzt unsere Saddleback Gemeinde den „Life Development Process“ ein, der das Baseball-Feld als Vergleich zum Wachstum verwendet. Die Leute verstehen, welches Wachstum wir erwarten, wenn sie einen Meilenstein geistlichen Wachstums auf jedem „Base“ (Station auf einem Baseballfeld) sehen, den es zu erreichen gilt. Wir erklären ihnen, dass unser Ziel ist, ihnen zu helfen, die Stationen ihres Lebens zu erreichen. Wenn Sie Menschen helfen, einen geistlichen Wachstumsprozess anzustreben, ihnen hierzu einige Anleitungen und Instruktionen geben und Ihnen gute Gewohnheiten beibringen, werden Sie Wachstum sehen.

REIFE-MYTHOS 4:

Geistliche Reife wird daran gemessen, wie viel jemand weiß. Viele Gemeinden beurteilen geistliche Reife einzig und allein daran, wie viele Bibelverse jemand zitieren kann oder wie viel theologisches Wissen er oder sie aufweist. Obschon Bibelwissen fundamental für geistliche Reife ist, stellt es nicht das absolute Kriterium für geistliche Reife dar.

WAHRHEIT:

Geistliche Reife zeigt sich mehr durch Verhalten als durch Glaubensgrundsätze. Das Christenleben besteht aus weitaus mehr als Glaubensbekenntnis und Überzeugungen. Es beinhaltet Verhalten und Charakter. Überzeugungen müssen durch dementsprechendes Verhalten sichtbar werden, und unsere Taten müssen mit unserem Credo übereinstimmen. Das Neue Testament lehrt, dass unsere Taten und unsere Haltung unsere Reife stärker offenbaren als unsere Bekenntnisse (Jakobus 2, 18). Wenn unser Glaube unseren Lebensstil nicht verändert hat, ist er nicht viel wert. Wie bereits erwähnt, ist Bibelkenntnis nur ein Kriterium für geistliches Wachstum. Zusätzlich kann man Reife auf Grund der Perspektive, Überzeugungen, Fähigkeiten und Charakter einer Person einschätzen. Diese „Fünf Ebenen des Lernens“ sind die Bausteine geistlichen Wachstums, die wir in der Saddleback Gemeinde einsetzen. Die Gefahr von Wissen allein ohne die anderen vier Komponenten besteht darin, dass es Stolz hervorbringt (1. Korinther 8,1). Wissen muss durch Charakter gemäßigt werden. Die Strategie, die Ihre Gemeinde zur Förderung geistlichen Wachstums einsetzt, muss Menschen nicht nur helfen, das Wort Gottes zu kennen, sondern es zu lieben und zu leben.

REIFE-MYTHOS 5:

Geistliche Reife ist eine persönliche und private Angelegenheit. Die Vergötterung des Individualismus in unserer Gesellschaft hat sogar Einfluss darauf, wie wir über geistliches Wachstum denken. Lehre über geistliche Ausbildung ist heute meist selbstzentriert und ichbezogen und ohne Hinweise auf die Bedeutung der Beziehung zu anderen Christen. Dies ist völlig unbiblisch und ignoriert die Lehre des Neuen Testaments.

WAHRHEIT:

Christen brauchen Gemeinschaft, um zu wachsen. Wir wachsen nicht in der Abgeschiedenheit, sondern wir entwickeln uns innerhalb der Gemeinschaft (Hebräer 10, 24, 25). Gott möchte, dass wir in einer Familie aufwachsen. Beziehungen sind der Leim, der Menschen mit der Gemeinde verbindet. Sie sind unabdinglich für geistliches Wachstum. Die Bibel lehrt, dass Gemeinschaft für Christen keine Option, sondern ein Muss ist. Christen, die keine liebevolle Beziehung zu anderen Christen pflegen, sind gegenüber den „einander“- Geboten in Gottes Wort ungehorsam (1. Joh. 1, 7). Viele Christen geben nie Zeugnis, weil sie nicht wissen, wie man auf andere Menschen zugeht. Sie müssen lernen, wie man Beziehungen pflegt. Obschon dies offensichtlich ist, nehmen sich nur wenige Gemeinden Zeit, dies Ihre Mitglieder zu lehren.

REIFE-MYTHOS 6:

Alles, was man zum Wachstum braucht, ist eine Bibel. Viele evangelikale Gemeinden bauen auf diesen Mythos. Ich nenne sie „Schulzimmer-Gemeinden“. Sie legen viel Gewicht auf biblische Lehre und Bibelinhalt, vernachlässigen jedoch die emotionale, auf praktischer Erfahrung und Gemeinschaft beruhende Entwicklung.

WAHRHEIT:

Ein geistlicher Reifeprozess muss geistliche Erfahrungen mit Gott beinhalten. Echte geistliche Reife schließt mit ein, dass man ein anbetendes Herz hat, liebevolle Beziehungen zu anderen Christen aufbaut und pflegt, Gaben und Talente im Dienst am Nächsten einsetzt und Verlorenen das Evangelium weitergibt. Jede Strategie, Menschen zu geistlicher Reife zu führen, muss sämtliche dieser Erfahrungen beinhalten: Anbetung, Gemeinschaft, Bibelstudium, Evangelisation und Dienst. Mit anderen Worten: Geistliche Reife geschieht durch aktive Teilnahme an allen fünf Aufträgen der Gemeinde. Reife Christen studieren das christliche Leben nicht nur, sondern erleben es. Ohne praktische Erfahrungen im geistlichen Reifprozess bleibt einem nur ein steriles, intellektuelles Bekenntnis, das man studieren, aber nicht genießen oder praktizieren kann. Studium ohne Dienst bringt Christen mit richtender Haltung und geistlichem Stolz hervor.

ENTWICKLUNG DEINER STRATEGIE

Die Strategie der Saddleback Gemeinde, aus Christen echte Jünger zu entwickeln, gründet sich auf sechs Wahrheiten, die ich als Gegensatz zu jedem Mythos genannt habe. Wir glauben, dass geistliches Wachstum mit Hingabe beginnt und dass dafür ein Prozess notwendig ist, zu dem es auch gehört, gute Gewohnheiten zu entwickeln. Wir glauben, dass dieses Wachstum auf Grund von fünf Faktoren messbar ist, durch Gemeinschaft gefördert wird und die Mitarbeit in allen fünf Aufträgen der Gemeinde beinhaltet.

1. Erhöhe den Level der Verbindlichkeit.

Am höher werdenden Level für Leiter, der tiefere Hingabe an Jesus und größere Verbindlichkeit erfordert, kann man feststellen, ob die Gemeinde geistlich wächst. Jedes Mal, wenn Du einen höheren Level für Leiterschaft setzt, bringst Du dadurch alle in der Gemeinde ein Stück vorwärts. Wenn Du den Level der Verbindlichkeit für diejenigen in sichtbaren Leiterschaftspositionen erhöhst, steigest Du dadurch die Erwartungen an alle Mitglieder.

Wie bewegt man Leute zu einem verbindlichen, geistlichen Wachstumsprozess?

Bitte um Verbindlichkeit! Wenn Du die Menschen nicht um Verbindlichkeit bittest, wirst Du diese auch nicht erhalten. Am besten kann eine Gemeindeleitung die Menschen in ihrer Gemeinde unterstützen, wenn sie ihnen dabei hilft, zu entscheiden, zu welchen Verbindlichkeiten sie ja und zu welchen sie nein sagen sollten. Für viele Menschen ist ein Hindernis für geistliches Wachstum nicht mangelnde Bereitschaft, sondern, dass sie falsche Verantwortlichkeiten übernehmen.

Bitte zuversichtlich um hohe Verbindlichkeit! Jesus bat stets klar und zuversichtlich um Verbindlichkeit. Er zögerte nie, Männer und Frauen aufzufordern, alles stehen und liegen zu lassen und Ihm nachzufolgen. Häufig ist die Bereitschaft von Menschen zu echter Verbindlichkeit umso höher, je größer die Verantwortung dabei ist. Menschen wollen sich für etwas einsetzen, das ihrem Leben Bedeutung verleiht. Dann übernehmen sie gerne Verantwortung und eine herausfordernde Vision an.

Sei klar und eindeutig, wenn Du um Verbindlichkeit bittest! Verbindlichkeit zu Jesus Christus, dann zur Taufe, Mitgliedschaft, guten Angewohnheiten, Dienst und Erfüllung ihres Lebensauftrags. Erkläre den Nutzen von Verbindlichkeit. Ein weiterer Schlüssel zur Entwicklung von Verbindlichkeit ist, den daraus entstehenden Nutzen zu identifizieren. Wir werden schlussendlich immer gesegnet, wenn wir gehorsam sind. Versäume also nicht, den persönlichen Nutzen, den Nutzen für die Familie, den Leib Christi und die Gesellschaft allgemein, sowie den ewigen Gewinn zu erklären, der durch Verbindlichkeit zu geistlichem Wachstum entsteht. Menschen haben ein angeborenes Verlangen danach, zu lernen, zu wachsen und Fortschritte zu machen. Manchmal muss man jedoch dieses Verlangen dadurch wecken, dass man ihnen Lern- und Wachstumsziele setzt und ihnen deren Wert und Nutzen erklärt. Obwohl die Gemeinde den Schlüssel für Sinn, Bedeutung, und Erfüllung unseres Lebens hat, beschreiben wir dies oft auf völlig langweilige, unattraktive Art. Wenn Du die Aufmachung einer Werbung für irgendein Produkt mit einer Anzeige für eine Gemeinde vergleichen, wirst Du sofort den Unterschied feststellen.

Baue auf sofortige Verbindlichkeit statt auf spätere Verbindlichkeit. Obschon Du den Menschen ein hehres Ziel vor Augen führst, das mit hoher Verbindlichkeit verknüpft ist, ist es wichtig, mit dem Maß an Verbindlichkeit zu beginnen, das zu dem Zeitpunkt möglich ist, auch wenn dieses vorerst noch klein ist. Es ist ebenfalls in Ordnung, hohe Verbindlichkeit in kleinere Schritte einzuteilen und so Menschen langsam vorwärts zu leiten. Indem wir das Baseball-Feld als Illustration geistlichen Fortschritts einsetzen, ermöglichen wir den Leuten, zu sehen, wie weit sie gekommen sind und welche Strecke noch vor ihnen liegt. Feiere jedes Mal, wenn jemand sich entschließt, das nächste Feld zu erreichen. Feiere den Fortschritt mit einem Ritual, bei dem Du dieses geistliche Wachstum öffentlich anerkennst. Dies gibt Menschen ein Gefühl der Errungenschaft und motiviert sie zu weiterem Vorankommen. Ermutige sie, bei dieser Gelegenheit darüber Zeugnis zu geben, wie höhere Verbindlichkeit Segen in ihr Leben gebracht hat. Sowohl Baby Boomers wie auch Generation X sind verzweifelt auf der Suche nach etwas, für das es sich lohnt, sein Leben einzusetzen.

2. Helfe Menschen, Gewohnheiten zu entwickeln, die geistliches Wachstum fördern. 

Menschen auf dem Weg zur geistlichen Reife zu begleiten, bedeutet, ihnen dabei zu helfen, gute Gewohnheiten zu entwickeln, die geistliches Wachstum fördern. Diese sind auch unter dem Ausdruck Disziplin bekannt. Wir sind jedoch der Meinung, dass der Ausdruck Gewohnheiten geeigneter ist, weil er für Neubekehrte nicht so bedrohlich klingt. Wir alle sind Gewohnheitsmenschen; wo wir nicht in der Lage sind, gute Gewohnheiten zu entwickeln, werden es schlechte sein. In welchen Kernbereichen der persönlicher Lebensgestaltung sind nun gute Gewohnheiten zu entwickeln? Hierbei handelt es sich meist um Bereiche, die Zeit, Geld und Beziehungen betreffen. Wenn Jesu Herrschaft über diesen drei Lebensbereichen anerkannt wird, dann hat Er wirklich die Kontrolle. Beginne eine Schulung unter dem Motto „Geistliche Reife entdecken“, in der man lernt, die vier grundlegenden Gewohnheiten eines Jüngers anzunehmen: Die Gewohnheit, Zeit mit Gottes Wort zu verbringen, die Gewohnheit regelmäßigen Gebets, die Gewohnheit des Zehnten-Gebens, und die Gewohnheit, Gemeinschaft zu pflegen. Diese gründen sich auf Jesu Definition von Jüngerschaft (siehe Lukas 14, 33; Johannes 8, 31+32; 13, 34+35; 15, 7+8).

Nachdem Du über das Was, Warum und Wie dieser vier Gewohnheiten gelehrt hast, durchlaufe die praktischen Schritte für den Beginn und die Aufrechterhaltung anderer Gewohnheiten (siehe Nehemia 10, 1 Luther). Nach Abschluss der Schulung unterzeichnen alle einen „Reife-Bund“. Die unterzeichneten Karten werden eingesammelt und von dem Leiter als Zeuge unterzeichnet. Wir laminieren sie und geben sie den Teilnehmern zurück, damit sie diese in ihrem Portemonnaie bei sich tragen können. Wir erneuern unser Versprechen jedes Jahr und verteilen neue Karten. Diese jährliche Erneuerung hilft den Menschen, wieder einen neuen Anfang zu machen. Obwohl sie auf dem Weg ab und zu straucheln, sind die Menschen nach Abschluss der Schulung wirklich bleibend verändert. Es ist jeweils ein bewegender Augenblick, wenn jede Klasse ihre Zeit, ihr Geld und ihre Beziehungen Jesus übergibt.

3. Baue  ein ausgeglichenes, christliches Ausbildungsprogramm auf.

Wie bereits zuvor erwähnt, ist geistliches Wachstum anhand von fünf Kriterien messbar: Wissen, Perspektive, Überzeugungen, Fähigkeiten und Charakter – die Bausteine geistlicher Reife. Wir haben ein Schlüsselprogramm entwickelt, das jede Lernebene ermöglicht.

Bibelkenntnis. Um ein Curriculum für geistliches Wachstum zu erstellen, muss man zunächst zwei Fragen stellen: „Was wissen die Leute bereits?“ und „Was müssen sie wissen?“ In einer Gemeinde, die vorwiegend biologisches Wachstum (Bekehrung der Kinder von Mitgliedern) oder Wachstum durch Gläubige aus anderen Gemeinden erfahren hat, gibt es wahrscheinlich viele Mitglieder mit biblischen Grundkenntnissen. Dies ist nicht der Fall in einer Gemeinde, die vorwiegend auf noch nicht Gläubige oder keiner Kirche angehörenden Menschen ausgerichtet ist. Man darf nicht einfach annehmen, dass Neumitglieder irgendetwas über die Bibel wissen, sondern muss beim Nullpunkt anfangen. Auf dieser Wissensebene sollten  regelmäßig Bibelkurse für Neubekehrte angeboten werden, um mit ihnen das Alte und das Neue Testament zu erkunden.

Unser umfassendstes Programm besteht aus einem neunmonatigen, einführenden Bibelkurs, der von Laienlehrern verfasst und unterrichtet wird. Wir nennen ihn WORD study – WORD ist die Abkürzung für die vier Aktivitäten während dieses Bibelstudiums: sich darüber wundern (über den Text Fragen stellen); observieren (beobachten); reflektieren; und do it! Der Kurs basiert auf Methoden, die in meinem Buch Dynamic Bible Study Methods beschrieben sind. Jede Lektion beinhaltet Hausaufgaben zum Selbststudium, ein Referat und Diskussion in Kleingruppen. Der Kurs beginnt jeweils im September und endet im Juni des folgenden Jahres. WORD für Frauen bieten wir zweimal pro Woche an, Word für Männer einmal pro Woche. Obwohl jedes Buch der Bibel wichtig ist, möchten wir, dass unsere Mitglieder zuerst fünf Kernbücher studieren, bevor sie ihr Studium auf andere Bücher ausweiten: 1. Mose, Johannesevangelium, Römer, Epheser und Jakobus.

Perspektive. Perspektive bedeutet, etwas zu verstehen, weil man es von einem grösseren Bezugsrahmen aus sieht – die Fähigkeit, zu erkennen, wie Dinge in Wechselbeziehung miteinander stehen, um so ihre vergleichbare Bedeutung einzuschätzen. Auf geistliche Dinge bezogen bedeutet es, die Dinge aus Gottes Sicht zu sehen. In der Bibel haben die Worte Verständnis, Weisheit und Erkenntnis stets mit Perspektive zu tun. Das Gegenteil von Perspektive ist in diesem Fall Hartherzigkeit, Blindheit und Trägheit. Wissen bedeutet, zu lernen, was Gott gesagt und getan hat. Perspektive bedeutet, zu verstehen, warum Gott es gesagt oder getan hat, und beantwortet die „Warum“-Fragen des Lebens.

Man könnte viele Gründe nennen, warum es wichtig ist, zu lernen, die Dinge aus Gottes Perspektive zu sehen. Ich nenne hier nur vier davon:

a) Perspektive hilft uns, Gott mehr zu lieben.

b)  Perspektive hilft uns, Versuchungen zu widerstehen.

c) Perspektive hilft uns, Anfechtungen zu überstehen (Römer 8, 28), und Durchhaltevermögen zu entwickeln (Jakobus 1, 3).

d)  Perspektive bewahrt uns vor Irrtum.

Wir brauchen heute dringend Gemeindeleiter und Lehrer, die klar Gottes Perspektive über Arbeit, Geld, Vergnügen, Leiden, Gut, Böse, Beziehungen, und sämtliche weitere Schlüsselthemen des Lebens (Epheser 4, 14) lehren. Gottes Perspektive bringt Stabilität.

Reife Christen studieren das christliche Leben nicht nur, sondern erleben es.

Überzeugung. Überzeugung beinhaltet das Wertesystem eines Menschen, seine Verbindlichkeit und Motivation. Es ist nichtig, zu wissen, was (Wissen) man tun sollte, warum (Perspektive) man es tun sollte, und wie (Fähigkeit) man es tun sollte, wenn die Überzeugung und damit die Motivation fehlt, es wirklich zu tun. Biblische Überzeugungen sind für geistliches Wachstum und geistliche Reife notwendig. Die Gemeinde muss biblische Überzeugungen lehren, um dem weltlichen Wertesystem entgegenzuwirken, dem Christen ständig ausgesetzt sind. Überzeugung hilft uns, fortwährend nach geistlichem Wachstum zu streben. Wachstum erfordert Zeit und Kraft. Ohne innere Überzeugung werden wir entmutigt und geben auf. Indem unsere innere Überzeugung von christlichen Werten und Maßstäben gefestigt wird, bekommen auch unser Lebenszweck und unsere Berufung mehr Standfestigkeit.

Es ist nichtig, zu wissen, was (Wissen) man tun sollte, warum (Perspektive) man es tun sollte, und wie (Fähigkeit) man es tun sollte, wenn die Überzeugung fehlt, die einem motiviert, es wirklich zu tun.

Wir erhalten Überzeugung durch Kontakt mit Menschen, die diese Überzeugung haben. Dies ist einer der Gründe, warum wir Kleingruppen als wichtigen Teil unseres Life Development Process (Lebensentwicklungsprozess) sehen.

Fähigkeiten. Fähigkeit ist, wenn man etwas mit Leichtigkeit und Genauigkeit tun kann. Fähigkeit entwickelt man nicht dadurch, dass man einen Vortrag anhört, sondern durch praktisches Erfahrung und Übung. Wir müssen gewisse Fähigkeiten entwickeln, um als Christen zu reifen: Bibelstudium, Dienst, Zeugnis geben, Beziehungen entwickeln und pflegen, sowie unsere Zeit richtig zu verwalten. Fähigkeiten stellen den praktischen Teil unseres geistlichen Wachstums dar.

Bei Wissen und Perspektive geht es darum, von etwas Kenntnis zu haben. Bei Überzeugung und Charakter geht es darum, etwas zu sein. Fähigkeiten beziehen sich auf unser aktives Handeln. Wir sollen „Täter des Wortes und nicht allein Hörer“ (Jakobus 1, 22) sein.

Charakter. Das letztendliche Ziel jeglicher christlicher Ausbildung ist, dass wir in unserem Wesen Christus ähnlicher werden. Es ist unsere wichtigste Lebensaufgabe überhaupt, Jesus in unserem Charakter ähnlicher zu werden, denn es ist das einzige, das wir mit in die Ewigkeit nehmen werden. Das bedeutet, dass das Ziel all unserer Lehre sein muss, Leben zu verändern, statt einfach nur Information weiterzugeben. Paulus erklärte Timotheus und Titus, dass das Ziel ihrer Lehre die Veränderung des Charakters von Menschen sein solle (1. Timotheus 1, 5; Titus 2, 1). Charakter wird nicht im Klassenzimmer geformt, sondern im täglichen Leben. Bibelstudium im Klassenzimmer kann dazu dienen, Charaktereigenschaften zu identifizieren und zu zeigen, wie Charakter entwickelt werden kann. Wenn wir verstehen, wie Gott Umstände gebraucht, um unseren Charakter zu formen, hilft uns das, uns richtig zu verhalten, wenn Gott in unserem Leben solche Umstände zulässt. Charakterentwicklung erfordert stets auch unsere Entscheidung. Wenn wir die richtige Entscheidung treffen, wird unser Charakter Jesus ähnlicher. Wenn wir uns in einer Situation entscheiden, so zu handeln, wie Gott es möchte, statt unserer natürlichen Neigung nachzugeben, entwickeln wir Charakter (siehe Galater 5, 22–23).

Wie bringt Gott die Frucht des Geistes in unserem Leben hervor? Häufig, indem Er uns in Situationen stellt, wo die Umstände problematisch sind und wir uns entscheiden müssen. Er lehrt uns zu lieben, indem Er uns mit schwierigen Menschen zusammenführt. Wir erfahren Freude mitten in sorgenvollen Zeiten. Er lässt uns Seinen Frieden mitten im Chaos erleben, damit wir lernen können, Ihm zu vertrauen. Gott ist weitaus mehr interessiert an unserem Charakter als an unserem Komfort. Sein Plan für uns ist Vervollkommnung, nicht Verwöhnung. Aus diesem Grund lässt Er alle möglichen Situationen zu, die unseren Charakter formen: Konflikt, Enttäuschungen, Schwierigkeiten, Versuchungen, Zeiten der Dürre und Verzögerungen. Ein Schwerpunkt christlicher Ausbildungsprogramme in der Gemeinde sollte sein, Menschen mit dem Wissen, der Perspektive, den Überzeugungen und Fähigkeiten auszurüsten, die nötig sind, um diese Situationen zu meistern. Stelle die folgenden fünf Fragen über Dein christliches Ausbildungsprogramm:

  • Lernen die Teilnehmer den Inhalt und die Bedeutung der Bibel kennen?
  • Lernen die Teilnehmer, sich selbst, das Leben und ihre Mitmenschen klar aus Gottes Perspektive zu sehen?
  • Gleicht sich das Wertesystem der Teilnehmer mehr dem Wertesystem Gottes an?
  • Werden die Teilnehmer befähigt, Gott zu dienen?
  • Werden die Teilnehmer Christus ähnlicher?

Wir streben diese Ziele fortwährend an. Durch unsere Vision für geistliche Reife hoffen wir, so viele Menschen wie möglich zu reifen Jüngern zu machen, bevor Jesus zurückkehrt.

Auszug aus Kapitel 19 von Rick Warrens Buch „The Purpose-Driven Church (Grand Rapids: Zondervan, 1995). Für mehr Info besuche: http://pastors.com/rickwarren/. FLG hat vom Autor des Artikels und von INSPIRATION die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels erhalten. INSPIRATION ist eine verkürzte Version der Zeitschrift ENRICHMENT, die von den Assemblies of God, USA, herausgegeben wird. INSPIRATION dient den Bedürfnissen von deutschsprachigen Pastoren und stellt theologisch-biblisch relevante, up-to-date Artikel für die Arbeit von Gemeindeleitern und Pastoren zur Verfügung. http://enrichmentjournal.ag.org/International/German/index.cfm